Interview mit Gabriel Nadeau-Dubois

24. März 2015 | nachgefragt

Rund 60.000 Québecer Studenten befinden sich zu Beginn des Frühlings 2015 im Streik. Sie demonstrieren gegen die Politik der Einsparungen der liberalen Regierung unter Premierminister Philippe Couillard. Sie gehen im März 2015 wieder auf die Straße, um ihre Meinung gegen die Vorhaben ihrer Regierung zu äußern, so wie es auch im Frühjahr 2012 der Fall war. Damals hatte die ebenfalls liberale Regierung allerdings unter Premierminister Jean Charest, die Erhöhung der Studiengebühren beschlossen, wogegen die Mehrzahl der Studierenden mehrere Wochen über protestierte, was am Ende zu Neuwahlen und einem Wechsel der Regierung führte. Im September 2012 wurde Pauline Marois der Parti Québécois Premierministerin von Québec und regierte für 18 Monate mit einer Minderheit.
Einen persönlichen Blick auf die damaligen Ereignisse richtet Gabriel Nadeau-Dubois in seinem Essay Tenir tête. Er war damals Sprecher der universitätsübergreifenden Studentenorganisation CLASSE (Coalition large de l’Association pour une solidarité syndicale étudiante). In dem Jahr, das auf den Streik folgte, nahm er sich die Zeit, um das Geschehene Revue passieren zu lassen und schließlich mit dieser Zeit abzuschließen, die ihm scharfe Kritik entgegen gebracht hatte. 2013 erschien sein Buch bei Lux éditeur und traf auf großes Interesse. Die erste Auflage von Tenir tête war schnell vergriffen und der Verlag musste nachdrucken. 2013 erhielt Gabriel Nadeau-Dubois nicht nur eine Nominierung für den Prix du Gouverneur général, sondern bekam den Preis auch im November 2013 überreicht.
Anfang 2015 war er einer von rund 40 Autoren aus Québec, die anlässlich des 44. Foire du livre in Brüssel mit Québec als Ehrengast vor Ort waren. Am Rande der belgischen Buchmesse traf ich den jungen und engagierten Autor zu einem Interview. An der prunkvollen Hotelbar des Plaza sprachen wir über die Entstehung des Essays, dessen Rezeption, die Auswirkungen des Streiks, der als Printemps érable in die Geschichtsbücher Québecs einging und kommende Projekte, denen er sich nun zuwendet, nachdem er das Kapitel des Streiks mit Tenir tête abgeschlossen hat.

Du hast nach dem Streik begonnen, dein Essay Tenir tête zu schreiben. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie hast du es dann realisiert?

Gabriel: Während der Mobilisierung habe ich viele Notizen gemacht. Ich hielt meine Versammlungen, Interviews, Vorbereitungen und all das schriftlich fest, hatte aber nicht den Gedanken etwas zu schreiben und zu veröffentlichen. Als ich zum Ende des Streiks im Sommer 2012 auf den Straßen der Regionen von Québec unterwegs war, war ich von der Diskrepanz nachhaltig überrascht, die zwischen der Bewegung, die ich selbst erlebt und wahrgenommen habe und der wahrgenommenen Bewegung, die Leute mir in Gesprächen beschrieben haben. Das, was sie davon im Kopf behalten haben, entsprach der Berichterstattung der Medien. Mir wurde klar, dass ich das nicht akzeptieren und mich damit nicht zufrieden geben kann, dass das, was man von dem Streik in Erinnerung behält, die Erzählung aus den Medien ist. Ich begann schließlich, eine alternative Erzählung, eine wahrere Erzählung von der Bewegung 2012 zu verfassen. Im Juli 2012 habe ich mit dem Schreiben begonnen und das ein Jahr lang fortgesetzt. 2013 wurde das Buch dann veröffentlicht.

In dem Essay vermischst du Anekdoten und die Wiedergabe ausgewählter Momente mit sehr reflexiven Passagen. Wie hast du die Auswahl dazu getroffen?

Gabriel: Ich hatte diese Struktur für mein Buch im Kopf, in der ich jedes Kapitel mit einem Beispiel oder einer Anekdote oder mit etwas beginne, das mir passiert ist, um daraufhin daraus eine allgemein politische Lektion zu ziehen. Mit diesem Aufbau der Kapitel wollte ich erreichen, dass mein Buch angenehm lesbar ist und verhindern, dass es ein bedrückendes oder schwer zu lesendes Buch ist. Meine Überlegungen wollte ich durch Anekdoten auflockern und gleichzeitig vermeiden, dass es rein auf Ereignisse bezogen ist. Ich wollte erzählerische und theoretische Passagen miteinander verknüpfen und habe im weiteren Verlauf versucht, beide Stränge weiterhin miteinander verbunden zu lassen. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist.

Deine Perspektive auf die Geschehnisse des Streiks sorgte für eine äußerst interessante Lektüre, was mich zu der nächsten Frage führt: Du warst damals der Sprecher der CLASSE, wo es nicht deiner Aufgabe entsprach, deine persönliche Meinung zu vertreten. In Tenir tête wirfst du nun deinen persönlichen Blick auf den Streik. Erzähl mir bitte von deiner Rolle als Sprecher der CLASSE und deren Funktionsweise.

Gabriel: Ich habe Tenir tête geschrieben, weil ich Lust hatte, die jungen Leute anzusprechen und endlich meine Sicht auf die Dinge zu veranschaulichen. Während des Streiks gab es eine Reihe von Attacken und Beschuldigungen mir gegenüber und ich hatte das Gefühl, einige Dinge klarstellen zu müssen und Stellung in dem ganzen Wirrwarr zu beziehen, das es in dem Sommer um meine Person und Rolle als Sprecher gegeben hat. Mir war es wichtig, mir die Zeit zu nehmen, mich ausführlich zu erklären und dann das Kapitel mit all den Unklarheiten abzuschließen.
Dieses Wirrwarr um den Sprecher gab es, weil die CLASSE im Grunde eine Organisation ist, die auf eine sehr bestimmte Art und Weise funktioniert. Die CLASSE steht in der Tradition der studentischen Gewerkschaftsbewegung, die als partizipative Demokratie funktioniert. Es gibt also eine Versammlung, zu der sich die Studentenverbände treffen, die Mitglied der Koalition sind. Dort werden die Entscheidungen über die allgemeine Politik und die politischen Veranstaltungen getroffen. Dann gibt es einen Rat, dessen Aufgabe es ist, die getroffenen Entscheidungen auszuführen. Ich hatte also kein Entscheidungsrecht, was an dieser Stelle zu betonen ist. Meine Aufgabe war es, öffentlich zu repräsentieren und zu verteidigen, d.h. die getroffenen Beschlüsse vor den Medien zu präsentieren. Ich hatte aber kein Recht, Dinge zu entscheiden. So konnte ich z.B. nicht beschließen, dass wir ein Angebot seitens der Regierung annehmen; ich konnte nicht verordnen, dass wir einen Kompromiss zu einer unserer Forderungen eingehen werden. Das war für die Presse und die allgemeine Bevölkerung schwer zu verstehen, weil die aktuelle Wahrnehmung der Politik komplett konträr zur Organisationsstruktur der CLASSE ist. Die aktuelle Wahrnehmung der Politik erfolgt über öffentlich übertragene Debatten der Parteivorsitzenden, die die Entscheidungen in unserem Namen treffen. Wir als CLASSE verweigerten diese Art der Politik und forderten die Zeit ein, die unser demokratischer Prozess brauchte.

Die Koalition der ASSÉ wurde im November 2012 nach dem Ende des Streiks aufgelöst. Zuvor gab es im September 2012 Neuwahlen und den Regierungswechsel. Pauline Marois der Parti Québécois wurde Premierministerin, die geplante Erhöhung der Studiengebühren wurde annulliert sowie auch das umstrittene Notstandsgesetz, das unter Charest verabschiedet wurde. Inzwischen gab es wieder Neuwahlen und die Parti libéral du Québec bildet wieder die Regierung, nun unter Philippe Couillard. Während seiner Wahlkampagne machte er die Erhöhung der Studiengebühren erneut zum Thema; dieses Mal betraf es allerdings nicht die Studenten in Québec, sondern die Studenten aus Frankreich, die zum Studium nach Québec kommen. Sie zahlen nun höhere Studiengebühren. Wie bewertest du diese Entscheidung?

Gabriel: Es ist natürlich keine Entscheidung mit gleicher Reichweite. 2012 war die Rede von einer Erhöhung der Studiengebühren um 75 % für alle Studenten in Québec. Jetzt sprechen wir von einer Erhöhung der Gebühren, die sich auf die Studenten aus Frankreich auswirkt und diese mit den Studenten aus Québec gleichsetzt und damit eine historische Übereinkunft außer Kraft setzt, die es zwischen Québec und Frankreich gegeben hat. Ich bedauere diese Entscheidung, die die Regierung Couillard getroffen hat, denn im Wesentlichen reden wir hier von etwas, das wir in Québec „Einsparung von Kerzenresten“ nennen, denn man wird zwar eine beträchtliche Summe einsparen, im Gegenzug schwächt man aber eine wichtige Verbindung zwischen Québec und Frankreich. Und wenn man z.B. die wirtschaftlichen Zahlen betrachtet, die durch die Studenten aus Frankreich generiert werden, die nach Québec kommen, zeigt sich, dass sie über dem liegen, was es die Québecer Regierung kostet, diesen Studenten entgegen zu kommen.
Es ist richtig, dass die Übereinkunft zwischen Québec und Frankreich hinsichtlich der Zahlen nicht gleich gut in beide Richtungen funktionierte. Zahlreiche Studenten aus Frankreich profitierten davon in Québec, aber nur wenige Studenten aus Québec profitierten davon in Frankreich. Aber ich denke, dass man dieses Ungleichgewicht anders hätte lösen können, als die Übereinkunft zu annullieren. Durch eine Anpassung z.B. hätte man dafür sorgen können, dass sie für beide Seiten von Vorteil ist.

Du hast zu Beginn des Interviews bereits vom schlechten Job gesprochen, den die Medien während des Streiks gemacht haben. Sie titelten mit der Gewaltbereitschaft der Studenten, Verstöße während der Mobilisierung und verloren nur wenige Worte über die Gründe des Streiks. Als ich zu dieser Zeit in Montréal war, spürte ich ab und zu eine Spannung, während ich durch die Stadt lief. Das änderte sich mit dem Erscheinen der so genannten casseroles. Insgesamt haben sich die Studenten auf unterschiedliche Arten der Demonstration gezeigt und versucht, sich Gehör zu verschaffen. Die damalige Québecer Regierung reagierte jedoch kaum. Die wenigen Versuche, sich mit den Sprechern der Studentenverbände zu treffen, scheiterten und durch die Aktionen, wie dem Erlass des umstrittenen Notstandsgesetzes, gewann die Bewegung an Breite. Welche Rolle spielten dabei die etablierten Medien aber auch die sozialen Netzwerke?

Gabriel: Man muss eine erste Unterscheidung innerhalb der Massenmedien machen. Es gab zwei unterschiedliche Phänomene, die sich bis zu einem gewissen Punkt gegenseitig in Gang gehalten haben. Einerseits gab es die journalistische Berichterstattung über den Streik, anhand derer die Regierung Eingang in die Zeitungen fand und es gab das Phänomen der Kolumnen, der Editorials, der Kommentare, die über die Massenmedien verbreitet wurden. Beides hat sich gegenseitig genährt, d.h. auf der Seite der journalistischen Berichterstattung, an der man mich progressiv im Verlauf des Streiks teilhaben ließ, führte zur voranschreitenden Vernachlässigung der Auseinandersetzung mit dem Thema selbst sowie einer Auseinandersetzung mit den grundlegenden Problemen, die durch die Studentenbewegung aufgeworfen wurden. Die Medien sind, glaube ich, in eine Falle geraten, die ihnen die Liberalen gestellt haben, deren Strategie es von Anfang an war, nicht über die Universitäten und ihre Umstrukturierung zu sprechen, sondern ausschließlich darüber, dass die Leute demonstrierten und dabei wohl randalierten. Es gab eine verbale Aufbauschung im Bereich der Kommentare, Editorials und Kolumnen, die es zum Streik gab und die von der Tagespresse gefüttert wurden. Diese wiederum erschuf innerhalb der Bevölkerung bestimmte Bilder, ein bestimmtes Verständnis von dieser Bewegung. Darin liegt die erste Unterscheidung, die es meiner Meinung nach zu treffen gilt.
Des Weiteren spielten die sozialen Netzwerke sicherlich eine Rolle, aber man darf diese nicht überbewerten. Sie spielten eine Rolle vor allem in der zweiten Hälfte des Streiks, als sich die Aktionen dezentralisiert haben und zahlreicher wurden, zu dem Zeitpunkt als sich die studentische Bewegung so langsam in eine soziale Bewegung wandelte. An dieser Stelle spielten sie eine wichtigere Rolle. Man darf aber nicht glauben, dass sich die Studentenbewegung durch die sozialen Netzwerke gebildet hat. Vielmehr nutzte die Bewegung die sozialen Netzwerke, um die Menschen zu erreichen. Die Studentenbewegung formte sich in den Universitäten und Cégeps und das dauerte zwei Jahre.

Es wäre weiterhin interessant über die Rolle der Polizei und weitere Akteure in diesem Streik zu sprechen, was weiter im Detail in deinem Essay zu lesen ist. Aber bleiben wir bei den Medien. Du hast kritische Kommentare seitens einiger Journalisten erhalten, auf die du dich beziehst und die du in Tenir tête zitierst. Wie war das für dich?

Gabriel: Es war paradox. Die Strategie der damaligen Regierung und einiger ihrer Verbündeten in den Medien bestand darin, die Studentenbewegung zu marginalisieren, vor allem die CLASSE und ihr eine sehr schlechte Presse zu liefern. Als Sprecher der CLASSE war ich natürlich eine Zielscheibe ihrer Kritik, weil ich die Randgruppe der Bewegung präsentierte, von der man sich befreien wollte. Man sagte Dinge über mich, die nicht nur harsch, sondern auch falsch waren. Ich bin froh, dass ich mit Tenir tête öffentlich darstellen konnte, dass diese Angriffe falsch waren.

Dein Essay wurde positiv aufgenommen und im November 2014 wurde dir der Prix du Gouverneur général verliehen. Wie sah deine Reaktion darauf aus?

Gabriel: Ich war äußerst überrascht und auch sehr zufrieden. Als ich erfahren habe, dass ich für den Preis nominiert bin, war ich bereits sehr geschmeichelt und ich dachte: „Oh mein Gott, eine Nominierung für diesen prächtigen Preis, den ich nicht erhalten werde. Das ist unmöglich, aber für ihn nominiert worden zu sein, ist ein nettes kleines Augenzwinkern.“ Ich glaubte wirklich nicht, ihn zu bekommen. Als ich ihn dann gewann, war ich natürlich sehr geehrt, doch gleichzeitig verkündete ich, dass ich ihn demütig akzeptierte, das Preisgeld in Höhe von 25.000 Dollar aber für eine Sache spende, die ich zu diesem Zeitpunkt in Québec wichtig fand. Das bedeutete mir viel, nicht etwa, weil ich mich schämte, das Geld zu bekommen, sondern weil das Buch, das ich geschrieben habe, eine Erzählung über eine soziale Bewegung war, die weit über mich selbst hinaus ging und so wollte ich dieses Geld weitergeben.

In deinem Essay berücksichtigst du neben der Darstellung der Ereignisse während des Streiks 2012 auch vorhergehende geschichtliche Momente, um bestimme Entwicklungen zu erklären. Daneben richtest du auch den Blick in die Zukunft, vor allem im Epilog, in dem du nach dem Danach als Erfolg, Niederlage oder Unentschieden des Printemps érable fragst. Wie bewertest du das aus heutiger Sicht?

Gabriel: Um darauf zu antworten, muss ich drei zeitliche Ebenen voneinander unterscheiden. Auf der ersten, kurzfristigen Ebene, denke ich, war es ein entscheidender Erfolg, was die Zugänglichkeit der erweiterten Bildung in Québec betrifft. Es gab einen Vorschlag der Erhöhung der Studiengebühren um 75 %. Heute, im Jahr 2015, gibt es nun in Québec Studiengebühren, die immer noch die niedrigsten in Nordamerika sind. Das macht zudem aus dem Québecer Bildungssystem dasjenige, das im Bereich der erweiterten Bildung auf dem Kontinent das zugänglichste ist und zwar deshalb, weil die Studenten sich 2012 mobilisiert haben, um diese historische Errungenschaft zu verteidigen.
Mittelfristig ist die Lage komplizierter. Der Streik hat nachweislich die Wiederwahl der Parti libéral du Québec nach einem Zwischenakt einer Regierung, die von der Parti Québécois 18 Monate lang gebildet wurde, nicht verhindert. Ich denke, dass das der Beweis dafür ist, eine politische Alternative in Québec zu entwickeln, denn das Unvermögen der Parti Québécois sogar nach der bedeutenden sozialen Bewegung wie dem Studentenstreik eine reelle Alternative zu sein, zeigt meiner Ansicht nach, dass es eine politische Sackgasse gibt, was alternative Parteien angeht. Was die mittelfristige Wirkung betrifft, habe ich also keine Antwort, aber eine Frage nach der Suche von Auswegen aus dieser Lage, in der wir feststecken. Wir gehen nicht vorwärts und das ist ein Problem.
Bezüglich der langfristigen Effekte bin ich optimistischer und das ist die dritte Ebene, die man unterscheiden muss. Wenn man Québec in den letzten 10, 15, 20 Jahren anschaut, habe ich den Eindruck, dass wir schrittweise an dem Aufbau einer neuen Form der Gesellschaft teilhaben. Dies hat sich gezeigt in der Unabhängigkeitsbewegung 2000, in dem Widerstand gegen den Irakkrieg, im Streik der Studenten 2005, in der Gründung von Québec Solidaire 2006, in den Mobilisierungen 2007 und 2008 und schließlich im Streik 2012. Dieser rote Faden mit Ereignissen kann man bis auf seinen Ursprung Ende der 1990er Jahre zurückverfolgen. Ich glaube, dass uns dieser neue Weg, der sich in Québec gerade andeutet, zu einem gesellschaftlichen Wechsel führen wird, der in die richtige Richtung geht. Aber dort sind wir noch nicht angekommen. Dennoch ist dieser Weg, auf dem viele junge Leute zu finden sind, sehr interessant und ich werde mich weiter dafür interessieren und ihn verfolgen.

Nach Tenir tête ist 2014 der Band Libre d’apprendre. Plaidoyers pour la gratuité scolaire von dir mit Texten anderer Autoren bei Écosociété erschienen. Arbeitest du momentan an neuen Projekten?

Gabriel: Ja, ich habe weitere Projekte. Ich habe zwei Bücher verfasst, die Teil meines Engagements in der Studentenbewegung waren. Nun weiß ich, dass meine kommenden Projekte mit allgemeineren, weiter gefassteren Themen zu tun haben werden. Ich versuche allmählich das Kapitel mit den Ereignissen 2012 zu schließen, nicht weil sie nicht wichtig sind, aber ich versuche von anderen Dingen zu sprechen und das tut gut. Im Moment beschäftigt mich die Umwelt. Für meine Generation wird die Umwelt ein vorrangiges Thema sein und mich interessiert die Art und Weise, auf die Québec führend in Sachen ökologischer Übergang werden könnte und sollte, denn was die erneuerbaren Energien angeht, sind wir in Québec gesegnet.

Beenden wir das Interview mit diesem Ausblick und einer letzten Frage: Bist du ein Leser der Québecer Literatur und wenn ja, welche Autoren empfiehlst du?

Gabriel: Ich lese weniger als ich sollte und möchte. Ich lese sowohl Autoren aus Québec und anderer Herkunft. Es gibt viele Empfehlungen, aber im Genre des Essay denke ich, ist ein Autor wie Pierre Vadeboncoeur eine wichtige Referenz. In der Dichtung ermöglicht jemand wie Gaston Miron, einen Eindruck von der Atmosphäre zu bekommen, die 2012 auf den Straßen von Québec herrschte. Ich versuche mich hinter diesen großen Autoren aus Québec, diesen großen Essayisten einzureihen, die in einer aufständischen, jähzornigen aber auch verwurzelten Art und Weise über Québec sprechen. Diese Herangehensweise gefällt mir sehr.