Nach einer reibungslosen Anreise von Berlin erst mit dem Flugzeug und dann mit dem Bus 272 vom Brüsseler Flughafen in Zaventem bis zur Endstation Brüssel Nord an einem grau nassen Donnerstag, startete das Foire du livre sofort mit einigen interessanten Veranstaltungen.
Susanne de Serres, Sylvie Louis und Caroline Allard (Gleich klatscht es, aber keinen Beifall, mvg Verlag) warfen einen Blick auf die Québecer Literatur für und über Kinder. Im Anschluss folgte eine Gesprächsrunde mit Martine Delvaux, Mylène Bouchard und Hélène Lépine über die Rolle der Frauen bzw. einer feministisch geprägten écriture. Vom Journalismus zum Essay war das Thema, zu dem Deni Béchard und Emmanuelle Walter eingeladen waren. Deni Béchard ist Autor von Des bonobos et des hommes (écosociété) und Emmanuelle Walter von Sœurs volées (Lux éditeur). Beide Bände waren aus journalistischen Recherchen heraus entstanden. Um eine neue Generation von Autoren, von denen seit einiger Zeit in Québec die Rede ist, ging es in einer weiteren Gesprächsrunde mit Mélissa Verreault, David Clerson, Sophie Bienvenu und Alexandre Soublière. Larry Tremblay, Daniel Canty und Richard Ste-Marie unterhielten sich über das Buch und seine Metamorphosen.
Am Ende des ersten Tags auf dem Foire du livre wurde es Zeit für einen Besuch der Buchhandlung TuliTu, die am 5. Februar 2015 in Brüssel Eröffnung feierte. Nach einigen Minuten Fußmarsch entlang des Kanals von Charleroi war ich da. Ich kam gerade rechtzeitig zur Veranstaltung mit Verlagen aus Québec und Belgien, bei denen der Roman Un léger désir du rouge von Hélène Lépine erschienen ist.
Am zweiten Tag in Brüssel folgte die Sonne auf den Regen. Auf dem Foire du livre ging es u.a. um die Premiers Nations in Québec und Kanada. Die Dichterin und Aktivistin Natasha Kanapé Fontaine eröffnete die Gesprächsrunde mit einem kurzen Gesang. Sie gab einen Einblick in ihre Ausbildung, in der die Geschichte ihrer Vorfahren keinen Platz hatte. Neben ihr nahmen die Autorin und Künstlerin Virginia Pésémapéo Bordeleau und die Journalistin Emmanuelle Walter an der Veranstaltung teil. Anschließend gab es eine Veranstaltung mit Publikumsmagnet Dany Laferrière.
Er blickte auf seine langjährige Karriere als Autor zurück und teilte mit, worauf es ihm ankommt. Er ist sehr aufmerksam gegenüber Details, Bildern, Geräuschen und Gerüchen, die für ihn die Quelle seines Schreibens darstellen. Aber auch die Ruhe ist Quelle des Schreibens. Es braucht Stille fürs Schreiben und fürs Lesen. Er selbst ist Leser und verweist in seinen Büchern auch auf andere Autoren. Das literarische Werk ist für ihn eine Art persönliche Bibliothek. Während der kommenden Stunden und Tage gab es noch weitere Möglichkeiten, den charismatischen Autor zu sehen.
Nach den ruhigeren Wochentagen waren die Gänge am Wochenende voller. Der Gemeinschaftstand von Québec Édition war gut besucht. Interssierte und neugierige Leser·innen konnten auf die Expertise von drei Buchhändlern aus Québec zurückgreifen.
Im Programm gab es weitere Veranstaltungen mit Dany Laferrière und Kim Thúy. Es bot auch eine szenische Lesung von Larry Tremblays Theaterstück Abraham Lincoln va au théâtre. Zudem stand der Comic aus Québec im Fokus. In der Gesprächsrunde „Dessine-moi le Québec” nahmen die Illustratoren Michel Rabagliati, Isabelle Arsenault und Marion Arbona teil.
Am letzten Tag des Foire du livre hieß es noch einmal die Gelegenheit nutzen, sich am Stand von Québec Édition ein Buch aus Québec zu besorgen oder durch die übersichtliche Ausstellung L’univers de 9 grands auteurs vu par 9 bédéistes zu gehen. Die Ausstellung informierte über neun Québecer Autor·innen in Schrift und gezeichnetem Bild: Natasha Kanapé Fontaine, Gabrielle Roy, Alain Farah, Michel Tremblay, Anne Hébert, Hubert Aquin, Dany Laferrière, Louis Hamelin und Gaston Miron. Gezeigt wurden Auszüge aus ihren Werken, die durch Illustrationen von Comicautoren sowie Hintergrundinformationen auf Tablets ergänzt wurden.
In den letzten Tagen habe ich viel über die Québecer Literatur auf europäischen Boden erfahren. Ich habe weitere Autor·innen entdeckt, auch dank der Buchhändler vor Ort. Wie lautete ihr Fazit am Ende der Buchmesse? Welches Buch war der Verkaufsschlager und welchen Eindruck haben sie vom Brüsseler Publikum?
Louis Gagné, Buchhändler in der Montréaler Buchhandlung Raffin, war das zweite Mal dabei. Für ihn war defintiv Dany Laferrière der Botschafter der Québecer Literatur. Seine Werke wurden zahlreich verkauft, einige sogar bis auf das letzte Exemplar. Der Buchhändler war in diesem Jahr angenehm überrascht von der Neugier der Belgier, die sich für Geschichten interessierten, die in Québec verortet sind. Dass die Bücher von Dany Laferrière am beliebtesten seien, konnte Annie Proulx aus der Buchhandlung A à Z weiter im Norden Québecs bestätigen. Daneben war Sylvie Louis, Autorin der Kinderbuchreihe Le journal d’Alice, sehr gefragt. Und auch Larry Tremblays erfolgreicher Roman L’orangeraie lief gut.
Mit diesen letzten Eindrücken, einer Auswahl neuer Romane und einem signierten Exemplar von Dany Laferrières Comment faire l’amour avec un nègre sans se fatiguer von 1985 in meinem Handgepäck trat ich die Heimreise an.