Javotte von Simon Boulerice

31. Juli 2015 | quélesen

Ein 16-jähriger Teenager ist mit ihrem Vater im Auto unterwegs als plötzlich der Wagen durch die Luft wirbelt und auf dem Dach landet. Der Teenager ist Javotte. Ihre Beine sind gebrochen. Ihre kleine Schwester, ihre Mutter und sie müssen nun ohne den Vater zurecht kommen.

In einer Art kurzer, persönlicher Tagebucheinträge ist der dritte Roman von Simon Boulerice eine moderne Interpretation des Märchens Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre des französischen Schriftstellers Charles Perrault, das in der deutschen Fassung als Aschenputtel bekannt ist. Allerdings erzählt er die Geschichte aus Sicht der einen Schwester mit den hässlichen, viel zu großen Füßen, die nach dem Tod ihres Vaters mit Trauer, Wut und ihrer erwachten Sexualität versucht klarzukommen. Javotte lebt mit ihrer jüngeren Schwester Anastasie und ihrer kühlen, abweisenden Mutter zusammen. Sie versucht, ihre Familie zu ernähren und lernt eines Tages einen Mann kennen, der gen Ende des Romans mit seiner schönen Tochter bei ihnen einzieht.

Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Die 16-jährige Javotte ist eine manipulative große Schwester; sie ist ein eifersüchtiges Mädchen, das verliebt ist; sie ist eine Intrigantin, die bei der Suche nach ihrer Art ein gutes Leben zu führen, das Leben anderer mutwillig zur Hölle macht. Ihre Eifersucht auf das beliebteste Mädchen ihrer Schule treibt sie eine Affäre mit dessen Vater, der sie letztendlich in eine Krise stürzt. Um den Jungen, in den sie verknallt ist, Nahe sein zu können, nutzt sie dessen Schwester aus, die in sie verliebt ist. All das geschieht in ihrem letzten Schuljahr, an dessen Ende der Abschlussball steht. Und wenn sie auch nicht in Begleitung ihres Geliebten dorthin geht, besteht doch immer noch die Chance, ihm Nahe zu kommen.

Der Roman enthält eine Menge böser Gedanken, schwarzen Humor, Ironie und Gewalt. Er ist ausdrucksstark, sehr emotional und tiefgründiger, als eine erste, hastige Lektüre Erwarten lässt.

Simon Boulerice: Javotte
Roman
Leméac, 2012
184 Seiten
20,95 $
Für Javotte, seinen dritten Roman, wurde Simon Boulerice 2013 mit dem Prix des lecteurs émergents de l’Abitibi ausgezeichnet. Vom 25. März bis 11. April 2015 wurde der Roman auf die Theaterbühne gebracht und zwar im Montréaler Théâtre Denise-Pelletier.

Ein Zitat:
« Je marche dans la rue. Un sac d’éoicerie tout jaune me suit. Le vent le pousse dans mes jambes et mes béquilles, comme un chien trop fidèle. Tout le chemin, le sac de plastique suit mes pas. Sur ma route, les gens nous regardent intrigués, le sac et moi, se promenant de pair. Je vais pour rentrer chez moi et quitte le trottoir. Le sac ne bouge plus. La fidélité se poursuit. Je regarde autour de moi, questionne le vent. Je me penche, regarde le sac de plus près. Super C. Ça me frappe, et me gonfle les yeux d’eau. Super C pour super Carolanne. Le vent m’envoie des signaux.
Je pense toujours à Carolanne. À l’école, elle est ma rivale, bien que personne ne le sache. La nuit, il m’arrive de rêver qu’avec la pointe de mon compas j’éventre son sourire ravissant. Je l’agrandis, comme un Joker de cartes à jouer. Je fends tranquillement ses joues, pour gâcher son portrait. Pour que Carolanne devienne un clown. Je me réveille alors sereine, vengée.
Je ramasse le sac et je l’éventre à coups de dents. J’en garde un morceau comme s’il s’agissait d’un gri-gri. Un carré jaune avec la courbe rouge du C. » – Simon Boulerice: Javotte, Leméac, 2012, S. 25