La canicule des pauvres von Jean-Simon DesRochers

6. Oktober 2014 | quélesen

Zehn Tage, eine Hitzewelle über Montréal, ein Mietshaus im Quartier Latin und seine Anwohner, das sind die Rahmenbedingungen für den umfangreichen Roman von Jean-Simon DesRochers. Jeder Tag besteht aus Fragmenten des Alltags der Anwohner, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Hitzewelle beginnt am Tag des 1. Juli. Bereits zwei Minuten nach sechs Uhr Morgens beträgt die Temperatur 31 ° Celsius. Um die Uhrzeit beginnt der erste Tag des neuen Monats für Monique und Christian – sie ist die Eigentümerin des Mietshauses und er ihr Geliebter. Wenige Minuten später führt die Erzählung in ein Restaurant, in dem sich die Wege einiger Mieter vom Haus treffen, das den Namen Le Galant trägt. So fügen sich in der Folge weitere Auszüge der alltäglichen Beschäftigungen der Anwohner aneinander, deren Lebensmittelpunkt in einem Stadtteil von Montréal stattfindet. Ständiger Begleiter der Szenenwechsel ist die Angabe von Uhrzeit und Temperatur, die mit voranschreitender Zeit bis ins Unermessliche steigt und kaum abnimmt.

Die Auswirkungen der heißen Temperaturen auf die Menschen sind Teil der Geschichte genauso wie die Probleme der Anwohner in dem Viertel: Einwanderung, Prostitution, HIV, Drogen, tödliche Krankheiten. Die insgesamt 26 Figuren, die der Autor auf rund 700 Seiten begleitet, haben mit allerhand bedrückenden Themen zu tun. Aber auch Liebe, gegenseitige Fürsorge und Freundschaft sind hier und da eingestreut. Dennoch wird das Leben in La canicule de pauvres überwiegend in seiner Hässlichkeit und Schäbigkeit dargestellt. Es ist ein Leben, auf das Extreme wie Hitze derart wirken, dass die Menschen ihr erliegen. Sie werden brüchig, träge und sind in ihrer Misere noch verletzlicher.

La canicule de pauvres aus der Feder von Jean-Simon DesRochers überzeugte als „livre d’exception“ die Kritik und ist Bestseller des Verlags Les Herbes rouges. Der allwissende Erzähler wechselt von der einen zur anderen Figur, knüpft an eine zuvor erzählte Episode an, gibt Gedanken und innere Rede wieder, so dass die Lektüre an manchen Stellen zu einer Herausforderung wird. So manch eine Figur wächst einem dabei aber ans Herz.

Jean-Simon DesRochers: La canicule des pauvres
Roman
Les Herbes rouges, 2014
704 Seiten
21,95 $
La canicule des pauvres erschien 2009 bei Les Herbes rouges zum ersten Mal, 2014 brachte der Verlag den Roman in einer neuen Auflage heraus. 2011 gelangte Jean-Simon DesRochers mit seinem Debütroman in die finale Runde für den Prix des libraires du Québec und den Grand Prix littéraire Archambault.

Ein Zitat:
« L’HABITUELLE FAUSSE ALARME
7 h 51 – Humidex : 33 °C
Sur les vingt-six occupants officiels du Galant, seulement cinq ont répondu à l’alarme. La plupart portent leurs vêtements de nuit. Du parvis, ils observent Edward qui s’affaire à repérer le lieu d’origine du signal sur le panneau de contrôle. Personne ne remarque l’accrochage provoqué par le camion de pompiers qui grille un feu rouge dans un solo de sirène. Alors que les premiers pompiers sortent du véhicule, Edward hoche la tête. Il devra encore monter à pied au quatrième pour confirmer que rien ne brûle, que le capteur a reçu de l’eau venant du cinquième, qu’il faudrait colmater la fuite, etc. Un pompier vient le rejoindre devant le panneau de contrôle.
– Same shit, Eddie ?
– Looks like it, pal… » – Jean-Simon DesRochers: La canicule des pauvres, Les Herbes rouges, 2014, S. 41