L’orangeraie von Larry Tremblay

12. Januar 2015 | quélesen

Es ist die Geschichte von zwei Brüdern, deren Kindheit zu früh beendet wird, die Larry Tremblay in seinem preisgekrönten Roman L’orangeraie erzählt. Und es ist die Geschichte eines Vaters, dessen Eltern durch einen Bombenangriff ums Leben kamen und der ein Opfer für sein Land bringen soll. Es ist auch die Geschichte einer liebenden Mutter, die versucht gegen den Verlust ihrer Kinder anzukämpfen.

Der Titel des Romans verweist auf eine Orangenplantage. Zohals Vater hatte die Bäume zunächst auf unfruchtbarem Boden gepflanzt, das Land urbar gemacht und eine Art Paradies geschaffen. Das Land bleibt unbenannt. Es befindet sich im Krieg. Als Zohals Eltern getötet werden, rückt der Krieg ganz nah. Zohal führt die Plantage weiter. Seine Söhne werden zu Hause unterrichtet. Doch das geht nicht lange so. Die Zwillinge, die sich zumindest äußerlich gleichen, müssen das Paradies ihrer Kindheit verlassen. Der eine muss erwachsen werden, der andere als Märtyrer sterben. Wen welches Schicksal ereilt, liegt allein beim Vater.

Das der Familie dieser Weg bevorsteht, wird beeinflusst durch Soulayed, der als eindrucksvoller, gebildeter Gouverneur eines Tages nach dem Bombeneinschlag die Familie besucht. Sein Auftritt ist inszeniert mit Armeekleidung, Armeejeep und Waffen. Er bettet das Geschehene und das Kommende in Geschichten ein und verlässt dann das Anwesen, auf dem er einen Sprengstoffgürtel zurücklässt. Dieser ist für einen der neunjährigen Zwillinge bestimmt.

Larry Tremblay unterteilt seine Geschichte in drei Teile. Der Wechsel von einem zum anderen erfolgt über einen Zeitsprung, einen Ortswechsel und zuletzt durch einen Wechsel der Erzählperspektive. So spielen der zweite und dritte Teil der Geschichte in Nordamerika, wo ein mittlerweile erwachsen gewordener Zwilling an der Universität Schauspiel studiert. Was ist in seiner Kindheit passiert? Und wie ist es dazu gekommen, dass er von seinen Eltern so weit weg ist? Larry Tremblay liefert die Antworten in einem zögerlichen Rückblick und anhand der künstlerischen Darstellungsform Theater.

L’orangeraie ist der fünfte Roman von Larry Tremblay. Zudem sind vom ihm bereits 16 Theaterstücke erschienen, die in mehrere Sprachen übersetzt sind sowie fünf Gedichtbände und zwei Essays.

Larry Tremblay: L’orangeraie
Roman
Alto, 2013
168 Seiten
20,95 $
Die Rechte für den Roman wurden in mehrere Länder verkauft, so dass L’orangeraie im kommenden Jahr wohl in einigen Übersetzungen erscheinen wird, darunter z.B. in Deutschland.
Larry Tremblay wurde für diesen Roman mit einigen Preisen in 2014 ausgezeichnet. Er erhielt den Prix des libraires du Québec, den Prix littéraire des enseignants AQPF-ANEL, den Prix littéraire du salon du livre du Saguenay Lac St-Jean sowie den Prix des lecteurs du Saguenay Lac St-Jean. Für weitere Literaturpreise zählte er zu den Nominierten wie beim Prix littéraire du Gouverneur général, dem Prix des cinq continents de la francophonie, dem Prix Ringuet de l’Académie des lettres du Québec und dem Prix Frye Académie IV.

Ein Zitat:
« Comme les garçons n’avaient plus de livres sous la main, Tamara avait eu l’idée un matin de fabriquer des cahiers avec du papier d’emballage récupéré et c’était eux, petits écrivains de cuisine, qui noircissaient de leurs histoires les pages froissées de ces drôles de livres. Les garçons s’étaient vite pris au jeu. Amed avait même inventé un personnage à qui il faisait vivre des aventures impossibles. Celui-ci explorait des planètes lointaines, creusait des tunnels dans le désert, terrassait des créatures sous-marines. Il l’avait appelé Dôdi et l’avait affublé de deux bouches, une très petite et une très grande. Dôdi utilisait sa petite bouche pour communiquer avec les insectes et les microbes. Il utilisait sa grande bouche pour faire peur aux monstres qu’il combattait vaillamment. Mais Dôdi parlait parfois avec ses deux bouches en même temps. Alors les mots qu’il prononçait se déformaient de façon cocasse, créant des mots nouveaux et des phrases cahotantes qui faisaient rire les petits écrivains en herbe. Tamara s’en amusait beaucoup. Mais depuis la nuit du bombardement et la mort de leurs grands-parents, leurs cahiers improvisés ne racontaient que des histoires tristes et cruelles. Et Dôdi était devenu muet. » – Larry Tremblay: L’orangeraie, Alto, 2013, S. 29-30