Anabiose von Claudine Dumont

17. April 2014 | quélesen

Eine Frau ist allein in ihrer Wohnung. Der Fernseher läuft, lautlos, weil sie die bewegten Bilder beruhigen. Die Frau lebt allein, hat nur noch einmal im Jahr Kontakt mit ihren Eltern und zwar per Telefon. Sie arbeitet als Telefonistin in einer riesigen Firma, die zahlreiche Arbeiter beschäftigt und den Einzelnen an seinem Arbeitsplatz kaum wahrnimmt. Sie geht nicht aus, hat keine Freunde, keinen Freund. Allein in ihrer Wohnung leistet ihr oftmals eine Flasche Wein Gesellschaft. Der Inhalt betäubt und lässt das was zwischen ihr und ihrer Umgebung ist verschwimmen. Ihr Alltag und ihre Gefühlswelt sind auf ein Minimum beschränkt. Und dann passiert etwas, das noch schlimmer ist als dieses Leben.

Claudine Dumont entwirft in ihrem Debütroman Anabiose eine bedrohliche Atmosphäre, in der sich die Protagonistin Emma wiederfindet. Dabei ist der Titel des Buches Programm. Der biologische Begriff beschreibt das Vermögen von Lebewesen und ihren Keimen wie Flechten und Sporen ungünstige Lebensbedingungen wie extreme Kälte oder Trockenheit längere Zeit zu überleben, indem die Lebensprozesse der Zellen auf ein Minimum reduziert werden. Er beschreibt gleichsam das Erwachen aus einem scheintodähnlichen Zustand. Was passiert, wenn man diese biologische Eigenschaft auf den Menschen überträgt? Emma wird in ihrem unspektakulären, zurückgezogenen Leben mit einer Situation konfrontiert, in der sie sich zurecht finden muss und die sie auf die Probe stellt.

Claudine Dumont verwendet eine Sprache, die reduziert ist, die manchmal abgehackt wirkt und nur das Wesentliche abzubilden sucht. Sie schreibt in einer Sprache, die Bedrohung und Angst ausdrücken, die Emma spürt und die mal den Rhythmus der Erzählung anzieht, um ihn dann wieder langsamer werden zu lassen. Ein Atemzug wird so für den Leser spürbar und ein Schrei hörbar.

Claudine Dumont: Anabiose
Roman
XYZ, 2013
161 Seiten
18,95 $

Ein Zitat:
« Je regarde l’écran, mais il n’y a pas de son. C’est pour la lumière. L’illusion du mouvement autour de moi. J’ai peur du noir. C’est ce qui arrive quand je bois trop. Et je bois trop. Souvent. Même les soirs de semaine depuis quelque temps. Je n’arrive plus à dormir sans. Je n’arrive plus à oublier la boîte vide qu’est ma vie, sans. La petite boîte. Vide. Je n’ose plus rien y mettre. Elle n’est pas assez solide. Du carton friable. Elle tombe en morceaux dès qu’on la remue trop. C’est comme ça. Je ne suis pas assez solide pour la vie. Pour ma vie. Une poupée de porcelaine. Je suis friable. Personne ne le sait. Il ne faut pas. C’est trop dangereux, la fragilité. Il n’en fait pas plus pour que les autres testent leur capacité à faire souffrir. Les autres. Les gens. Ceux que je connais et ceux que je ne connais pas. Les éviter, c’est éviter la douleur. C’est éviter la vie aussi. » – Claudine Dumont: Anabiose, XYZ, 2013, S. 9