Montréal in den 2010er Jahren. Sabrina leidet unter Einsamkeit in der Großstadt und ihrem knochenharten Saisonjob auf dem Wochenmarkt, doch sie behält es für sich. Sie braucht das Geld. Céline ist in ihrer Jugend Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. Es war ein Fremder, niemand hat es mitbekommen. Vincents Bekannte denken, er schreibt an einem Roman. Tatsächlich verbringt er seine Tage alleine zu Hause mit einem Gefühl von Ohnmacht, Ziellosigkeit und Verloren-Sein.
Es gibt viele solcher Geschichten in Stéfanie Clermonts Mosaikroman Le jeu de la musique, der 2017 bei Le Quartanier erschienen ist. Im Zentrum steht eine Gruppe von Freund·innen in Montréal. Sie sind Aktivist·innen, Feminist·innen, Künstler·innen. Sie begehren auf und stecken heimlich ein, ringen mit der Welt und mit sich selbst.
In Kurzgeschichten, die man als Folge oder einzeln lesen kann, erfahren wir von ihrer Kindheit, ihren Träumen, Ängsten, Erfolgen, Veränderungen und Geheimnissen. Oft bezeugen die Geschichten auch das, was sonst nicht erzählt wird – Alltagsrassismus, häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen, unsichere Arbeitsbedingungen, Klassenhierarchie. Sie erzählen zudem von der Leerstelle, die im Freundeskreis entsteht, als Vincent, gebrochen von gesellschaftlichem Druck und inneren Geistern, sich das Leben nimmt. Aber es geht auch immer wieder um das, was antreibt – Momente der Freundschaft und des Zusammenhalts, des Weitermachens und der zerbrechlichen Schönheit des Lebens.
Le jeu de la musique ist ein facettenreiches Generationenporträt, das zugleich den Eindruck von Alleinsein und Kollektivität vermittelt. Trotz der oft sehr traurigen Inhalte ist der Roman eine Ode an intensives, fast trotziges Lebendig-Sein, und an Freundschaften.
Kurzgeschichten
Le Quartanier, 2017
344 Seiten
26,95 $ / 20 €
Ein Zitat:
« Ces lieux tranquilles où vivre et mourir en paix, il n’y en a presque pas. Il n’y en a presque plus. Et moins il y en a, moins on se souvient de cette autre vie, celle qui commence dans le ventre et qui éclate dans la gorge, dans les yeux, dans le sexe, dans nos langues qui touchent au soleil. » – Stéfanie Clermont: Le jeu de la musique, Le Quartanier, 2017, S. 14