Jonny Appleseed, ein Roman von Joshua Whitehead

14. Oktober 2020 | CanadaFBM2020/21

Auf der Frankfurter Buchmesse 2021 übernimmt Kanada die Rolle des Ehrengasts. In den letzten Monaten sind bereits einige Bücher von kanadischen Autor*innen in deutscher Übersetzung erschienen. Im Auftrag der Botschaft von Kanada in Deutschland werden an dieser Stelle ausgewählte Titel vorgestellt, die im Rahmen von Kanadas Präsenz bei der Leipziger Buchmesse 2020 präsentiert worden wären.

Jonny gehört dem Volk der Oji-Cree an und wuchs im Peguis-Reservat auf. Er wusste früh, dass er schwul war, was nicht immer gut ankam. Als Jugendlicher war er in die Stadt gezogen. Seitdem schlägt er sich in Winnipeg durch. Um sich seine spärlich eingerichtete Wohnung und Essen leisten zu können, tritt er vor die Webcam. Für seine Kunden schlüpft er in verschiedene Rollen, um deren sexuelle Fantasien zu erfüllen. Als er Nachricht von der Beerdigung seines Stiefvaters erhält, beschließt er, seiner Mutter beizustehen und ins Reservat zurückzukehren. Ihm bleibt eine Woche, um das Geld für die kostspielige Reise zusammenzubekommen. Die Tage vergehen wie in einem Fiebertraum. Er erinnert sich an die Zeit im Reservat, an ein Aufwachsen zwischen Akzeptanz und Ablehnung, an Traditionen und an lehrreiche Momente mit seiner Kokum (Cree für Großmutter). Zu den Erinnerungen gesellen sich Tagträume und Episoden aus seinem Arbeitsalltag.

Die Liebe hat Jonny bereits in verschiedensten Formen kennengelernt: von schön und heilend über schmerzhaft und ungesund bis hin zu rein körperlicher Liebe. Die Welt der Gefühle war wie eine Fahrt mit der Achterbahn und Halt fand er nur selten. Zu seiner Kokum und seiner Mutter hatte er ein inniges Verhältnis, während die Beziehung zu seinem Stiefvater eher schwierig war. Und seine Beziehung zu Tias war schon immer etwas ganz Besonderes.

Es sind seine Erfahrungen und Erlebnisse, die Jonny in Joshua Whiteheads Debütroman Jonny Appleseed auf nachdenkliche, lustige und liebenswerte Art und Weise teilt. Ehrlich und enthemmt beschreibt er Szenen körperlicher Nähe und einvernehmlichen, gleichgeschlechtlichen Sex. Und auch Überlieferungen und Fabelwesen aus seiner Kultur finden in dem Roman ihren Platz. In der deutschen Übersetzung werden sie am Ende in einem Glossar aufgeführt, einzelne Wörter aus der Sprache der Cree sind zusätzlich in einem kleinen Wörterbuch zusammengetragen.

Joshua Whitehead ist ein Oji-Cree der Peguis First Nation, der größten First Nation der kanadischen Provinz Manitoba. Er forscht an der University of Calgary zu indigener Literatur und Kultur.

Joshua Whitehead: Jonny Appleseed
Aus dem Englischen von Andreas Diesel
Roman, Albino Verlag
ISBN 978-3-86300-293-0
256 Seiten, 18,00 €