Ich bin ein Laster, ein Roman von Michelle Winters

9. Oktober 2020 | CanadaFBM2020/21

Auf der Frankfurter Buchmesse 2021 übernimmt Kanada die Rolle des Ehrengasts. In den letzten Monaten sind bereits einige Bücher von kanadischen Autor*innen in deutscher Übersetzung erschienen. Im Auftrag der Botschaft von Kanada in Deutschland werden an dieser Stelle ausgewählte Titel vorgestellt, die im Rahmen von Kanadas Präsenz bei der Leipziger Buchmesse 2020 präsentiert worden wären.

Agathe und der äußerst attraktive und maskuline Réjean Lapointe sind ein eingespieltes Team. Seit aus ihnen in ihrer Jugend ein Paar geworden ist, genügen sie sich selbst. Agathe ist für den Haushalt und das Kochen zuständig, Réjean bringt das Geld nach Hause. Die Abende verbringen sie gemeinsam. Nur selten pflegen sie weitere Kontakte, etwa wenn Réjeans favorisierter Autohersteller ein neues Modell auf den Markt bring. Dann fährt er zum Autoverkäufer seines Vertrauens, Martin Bureau, und schließt einen neuen Leasingvertrag ab. Die Zeit im Autohaus mit Réjean sind das Highlight im Leben des Verkäufers, auch wenn ihre Unterhaltungen aufgrund seiner fehlenden Französischkenntnisse eher knapp ausfallen. Dennoch sieht er ihn als Freund, dem er jeden Freundschaftsdienst erfüllen würde.

Kurz vor dem 20. Hochzeitstag der Lapointes wird Réjeans Chevy Silverado am Straßenrand gefunden. Von Réjean selbst fehlt jede Spur. Die Polizei geht zu Agathes Fassungslosigkeit von Eheproblemen aus und ermittelt nicht weiter. Sie hatte geglaubt, dass Réjean einen Angelausflug bei strömendem Regen nur als Tarnung benutzt hatte, um eine Überraschung für sie zu besorgen. Sie war sich sicher, er würde zu ihr zurückkommen. Doch das Leben geht ohne Réjean weiter. Agathe beginnt in einem Geschäft für gebrauchte Elektronikgeräte als Reinigungskraft und lernt dort die lebensfrohe und kreative Debbie kennen. Die beiden freunden sich an und Agathe scheint plötzlich aufzublühen, ganz anders als Martin, dessen Leben nach Réjeans Verschwinden eine Kehrtwende macht.

Michelle Winters hat einen Blick für Details und Stimmungen. Ihren Roman Ich bin ein Laster erzählt sie in Fragmenten, die sich zeitlich vor, während und nach dem Verschwinden von Réjean ereignen. Zudem werden sie aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die die Lücken im Erzählstrang bei voranschreitender Lektüre ausfüllen. Die sprachliche Besonderheit ihrer Heimat – Michelle Winters stammt aus Saint John in der kanadischen Provinz New Brunswick – hat die Autorin ebenfalls einfließen lassen, indem sie Dialoge auch auf Französisch verfasst hat. In der Übersetzung von Barbara Schaden bleibt diese Zweisprachigkeit präsent.

Michelle Winters: Ich bin ein Laster
Aus dem Englischen von Barbara Schaden
Roman, Wagenbach Verlag (SALTO)
ISBN ISBN 978-3-8031-1352-8
144 Seiten, 18,00 €