Verlage aus Québec auf der Leipziger Buchmesse 2018

28. Dezember 2018 | Reportage

Vom 15. bis zum 18. März 2018 fand in Leipzig die Buchmesse statt. In den Messehallen präsentierten sich über 2500 Aussteller aus 46 Ländern. Am Messedonnerstag und -freitag wurden laut Leipziger Volkszeitung um die 81.000 Besucher gezählt, unter ihnen drei Vertreterinnen von Verlagen aus Québec: Louise Alain von Alire, Claude Durocher von Guy Saint-Jean éditeur und Mariève Talbot von La courte échelle. Sie waren angereist, um sich auf der Buchmesse einen Überblick über den deutschen Buchmarkt zu verschaffen und Kontakte mit deutschen Verlagen zu knüpfen.

Für den Verlag Alire mit Sitz in Québec (Stadt) ist Louise Alain auf der Buchmesse unterwegs gewesen. Seit 1996 gibt es den Verlag, der auf Krimis, Science-Fiction- und Fantasyromane sowie Spionage- und Kriegsromane spezialisiert ist. Die Autoren wie Patrick Senécal, Jacques Côté und Élisabeth Vonarburg kommen schwerpunktmäßig aus Québec. Claude Durocher arbeitet für Guy Saint-Jean éditeur. Seit 1981 veröffentlicht der Verlag ein breites Spektrum an Büchern: von Familiengeschichten, historischen Romanen, Krimis und Jugendromanen bis hin zu Büchern zum Thema Kochen, Gesundheit und Erziehung. „Pro Jahr erscheinen 90 Titel, ohne Berücksichtigung von Nachdrucken. Wir kaufen um die 40% an Lizenzen ein, 60% unserer Titel kommen aus unserer Gegend“, berichtet Claude Durocher, die bereits mit deutschen Verlagen zusammengearbeitet hat: „Wir haben Marie Gray nach Deutschland verkauft. Sie ist bei uns sehr bekannt. Ihre Histoires à faire rougir sind bei Goldmann, einem Imprint von Random House erschienen.“ Die Verlagsgruppe La courte échelle umfasst heute vier Imprints: La courte échelle für die jungen Leser, À l‘étage für die erwachsenen Leser, Parfum d‘encre hat Ratgeber und Biografien im Programm und La Mèche. „La Mèche ist unser Terrain für Experimente und Erkundungen, ob auf narrativer Ebene oder was aktuelle Themen angeht. Im Programm sind Bücher, die die Gesellschaft spiegeln, wie sie heute ist“, erklärt die Verlegerin Mariève Talbot, die 2005 mit ihrem Vater Raymond Talbot die Verlagsgruppe übernommen und neu organisiert hat. In diesem Jahr feierte der Verlag sein 40-jähriges Bestehen.

An den Ständen der deutschen Verlage waren einzelne Titel aus Québec in deutscher Übersetzung zu entdecken, z.B. Suzanne von Anaïs Barbeau-Lavalette. Eichborn hat den mehrfach ausgezeichneten Roman, der 2016 bei Marchand de feuilles erschienen war, in der deutschen Übersetzung von Anabelle Assaf veröffentlicht. Am Stand von Jacoby & Stuart befand sich Dreimal täglich von Marilou und Alexandre Champagne unter den ausgestellten Büchern. Die Originalausgabe war 2014 unter dem Titel Trois fois par jour bei Les Éditions Cardinal erschienen. Und der kleine aber feine Verlagsstand von Das Wunderhorn präsentierte die neueste Übersetzung eines Buches von Dany Laferrière. Beate Thill hat seinen Roman Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden übersetzt. Es ist der dritte Titel des Autors, den der Heidelberger Verlag herausgebracht hat.

Im nächsten Jahr zieren dann vielleicht einige der Bücher die Regale deutscher Aussteller, die Claude Durocher, Mariève Talbot und Louise Alain vorgestellt haben, denn während der Buchmesse nutzten sie die Gelegenheit, Romane, Sachbücher, Krimis sowie Kinder- und Jugendbücher aus ihren aktuellen Vorschauen zu präsentieren. Aus dem Programm von Guy Saint-Jean éditeur ist da etwa das Essay En as-tu vraiment besoin?, das sich in Québec 160.000 Mal verkauft hat und dessen Rechte bereits ins englischsprachige Kanada, die USA, Spanien, Italien und Frankreich gingen. „Es ist eine Reflexion über unser Konsumverhalten und die Entscheidungen, die wir treffen, wo wir unser Geld anlegen, um uns damit unsere Wünsche zu erfüllen“, fasst Claude Durocher den Inhalt zusammen. Über 100.000 Mal ging ein Buch über den Ladentisch, das 100 Keksrezepte enthält. „Aufgrund der Verwendung von Dattelpüree kommen sie ohne Zucker aus und sind somit glutenfrei. Einige der Rezepte kommen auch ohne Milchprodukte aus und sind somit vegan“, erklärt sie. Der Titel lautet Ces galettes dont tout le monde parle von Madame Labriski. Auch Verlegerin Mariève Talbot hatte einige Romane und Kinderbücher dabei. Lektoren präsentierte sie etwa Et au pire, on se mariera von Sophie Bienvenu (La Mèche): „Ein wirklich besonderer Titel, der den Leser in ein Arbeiterviertel von Montréal führt. Die Geschichte wird in Form einer Aussage einer 13-Jährigen vorgebracht, die mit zwischenmenschlichen Beziehungen so ihre Probleme hat, vor allem, wenn es um Liebe geht.“ Und die Verlegerin fügt hinzu: „Et au pire, on se mariera ist ein Buch mit dem gewissen Punch und ist sprachlich interessant hinsichtlich des Straßenslangs von Montréal. Die Geschichte wurde bereits verfilmt und lief im Kino.“ Weitere Bücher im Programm von La Mèche sind Les suicidés d’Eau-Claire und Le goupil von Éric Mathieu. An Kinderbüchern stellte Mariève Talbot u.a. Mammouth rock von Eveline Payette und Guillaume Perreault vor, das sie wie folgt beschreibt: „Es ist eine witzige Geschichte, die sich der neuen Tendenz der Graphic Novel zuordnen lässt.“ Und noch eine besondere Reihe erwähnte sie, die in Québec sehr gut ankommt: „In unserer Noire-Reihe veröffentlichen wir Grusel-, Schreckgeschichten und Detektivromane für Leser ab 7 Jahre. Die Geschichten sind illustriert und graphisch hübsch designt.“ Aus dem Krimi- und Science-Fiction-Genre hatte Louise Alain eine Fantasyreihe von Élisabeth Vonarburg, die Bücher eines der bekanntesten Krimiautoren Québecs mit über 2 Millionen verkauften Büchern, Patrick Sénécal, und Thriller von Jean-Jacques Pelletier dabei. „Ich habe auch Jacques Côté vorgestellt, denn Jacques schreibt Krimis, die in Québec spielen. Er stellt die Québecer Gesellschaft in all ihren Besonderheiten dar, auch die politischen Angelegenheiten. Er bringt uns zum Nachdenken darüber, woher wir kommen und wo wir uns hinbewegen und das vor einem Québecer Hintergrund. Ort des Geschehens ist Québec (Stadt) und die Geschichte nimmt einen hohen Stellenwert ein“, hebt Louise Alain einen der Autoren hervor, den sie für die deutschen Verlage mit im Gepäck hatte.

Während sich der Winter und damit auch ein Chaos über Leipzig ausbreitete, das die Abreise der Québecerinnen erschwerte, fiel ihr Fazit positiv aus. Mariève Talbot, die das erste Mal in Leipzig war, hob die angenehme Atmosphäre hervor, die die Kontaktaufnahme erleichterte: „Ich fand es im Voraus der Messe schwierig, Termine zu vereinbaren, aber als ich vor Ort war, waren die Verlage sehr offen und aufgeschlossen.“ Auch die Eindrücke von Claude Durocher und Louise Alain klingen ähnlich. „Ich bin froh, hergekommen zu sein, um neue Verleger zu treffen. Es war sehr angenehm und ich bin beeindruckt, dass hier so viele Menschen sind. Eine tolle Messe,“ lautet Claude Durochers Resümee. Und Louise Alain verabschiedete sich mit einem Hinweis bezüglich des Unterschieds der kanadischen Literatur, die es in den Sprachen Englisch und Französisch gibt: „Ich wurde gefragt, worin sich unsere Titel von anglokanadischen unterscheiden. Sie sind überrascht, dass die Milieus der franko- und anglokanadischen Verlagsbranche sich nicht unbedingt austauschen und kennen und dass der Konkurrenzmarkt der USA dichter ist, als der Konkurrenzmarkt Frankreich.“ Sie führten viele Gespräche mit Lektoren und Verlegern, nun heißt es abwarten, welche Bücher einen Verlag im deutschsprachigen Raum finden.

Mit Blick auf das Jahr 2020, in dem Kanada Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse ist, wurde während der Leipziger Buchmesse ein neues Programm vom Conseil des arts du Canada und von Patrimoine Canada bekannt gegeben, das die Übersetzung und Veröffentlichung Bücher kanadischer Autoren im deutschsprachigen Raum fördert. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Website des Conseil des arts du Canada.