„Die Dichtung in Québec ist sehr heterogen“, erklärt Jana, „sie zeichnet sich durch Kreativität, Innovation, Originalität und Mut ihrer Autoren aus“. Die Québecer Dichtung hat sich ihre eigene Tradition geschaffen, die irgendwo zwischen Frankreich und Amerika zu verorten ist. Sie ist noch relativ jung und stützt sich nicht auf eine lange Literaturtradition. Stärker als beispielsweise in Frankreich spielt die mündliche Poesie sowohl in Québec als auch in Haiti eine Rolle. Das Verlangen, öffentlich das Wort zu ergreifen, ist in der Kultur Québecs verankert, ob nun zur Zeit der Révolution tranquille oder des Printemps érable. Die gegenwärtige Dichtung ist zunehmend durch ihre Öffnung für andere Einflüsse gekennzeichnet. Aktuell finden beispielsweise Stimmen indigener Autorinnen und Autoren zunehmend Gehör. Auch mit anglophonen Poeten findet ein zunehmender, wenn auch noch recht zaghafter, Austausch statt.
Aufgrund der zeitlichen Nähe und der großen Vielfalt sei es schwer, einen Überblick über die aktuelle Dichtung zu geben, resümiert Jana: „Die Dichterinnen und Dichter behandeln eine ganze Bandbreite von Themen. Das reicht vom Alltäglichen, Privaten, teils auch Banalen, über gesellschaftliche und metaphysische bis hin zu metalinguistischen und -literarischen Fragestellungen. Fragen, die die Autorinnen und Autoren heute umtreiben, sind beispielsweise: Wie kann man in der Poesie heute noch ‚Ich‛ sagen, wie ‚Wir‛? Was ist Poesie überhaupt? Welche Rolle nimmt der Dichter ein? Ist Dichtung eine kulturelle Randform? In welchem Verhältnis steht sie zu anderen Medien?“
Die Publikation von Gedichtbänden ist gerade enorm hoch. Sie werden von Verlagen auf den Markt gebracht, die ausschließlich Dichtung veröffentlichen – Noroît, Poètes de brousse, L’Écrou, Écrits des Forges – und von Verlagen, bei denen die Dichtung nur einer von mehreren Programmschwerpunkten ist – Mémoire d’encrier, Les Herbes rouges, Le Quartanier, La Peuplade. Auch die Québecer Verlagsszene ist innovativ und probiert sich an unterschiedlichsten Publikations- und Vermarktungsformen aus. So kündigen die Éditions de l’Écrou beispielsweise jeden Gedichtband mit einem eigenen Trailer an, der häufig selbst zum poetischen Werk wird. Allgemein ist die Video-Poesie mehr und mehr im Kommen. Jana wird die Aktivitäten dieser Verlage im Auge behalten und für quélesen von ausgewählten Veranstaltungen und Festivals auf beiden Seiten des Atlantiks berichten, bei denen die Québecer Gegenwartspoesie auf dem Programm steht.