Prague von Maude Veilleux

17. März 2017 | quélesen

Der Winter ist eine der unattraktivsten Jahreszeiten. Er ist energieraubend und schlägt aufs Gemüt. So geht es der Erzählerin in Maude Veilleux‘ Autofiktion Prague. Im Winter hat sie merklich an Gewicht verloren und verbringt ihren Alltag in einer melancholischen Grundstimmung, darauf wartend, gerettet zu werden. Sie ist Autorin und schreibt gerade ihren zweiten Roman. Zwischen ihren Schreibstunden arbeitet sie in einer Buchhandlung. Seit ein paar Jahren ist sie mit Guillaume verheiratet. Sie haben sich geschworen, sich für immer zu lieben. Doch kann Liebe wirklich ewig halten? Das Alter Ego der Autorin hat schon im Kindesalter erkannt, dass Liebe immer schlecht ausgeht, als sie sich mit dem Märchen von Christian Andersen beschäftigt hat. Und so beschließt sie mit ihrem Mann, die Beziehung zu öffnen. Beide können sich andere Partner suchen, nur in jemand anders verlieben dürfen sie sich nicht.

Sie hat sich auf ihren Arbeitskollegen Sébastien eingelassen. Sie treffen sich regelmäßig und testen gemeinsam die Regeln aus. Sie schlafen miteinander und geben sich gelegentlich ihrem Drang nach Gewalt hin. Diese Lebenssituation fließt in ihren Roman hinein. Manchmal kommt sie nur schwer voran und versucht die Blockaden zu überwinden. Über allem schwebt die Frage, was zum Roman wird. Was ist wirklich passiert und was als Resultat der Phantasie hinzugekommen?

Prague besteht aus einzelnen Fragmenten, in denen Maude Veilleux nicht alles an verfügbaren Informationen eingeschrieben hat. Sie folgen einem gleichen Rhythmus, bestehen aus einfach aufgebauten Sätzen. An einigen Stellen hat sie Dialoge aufgenommen, an anderen Verweise auf Autoren und Musiker. Der Roman ist sehr persönlich und reflektierend. Er begleitet die junge Autorin nach Brüssel und auf der kurzen Reise nach Prag, die sie über Brüssel wieder zurück nach Montréal führt, wo das Leben auf seine Fortsetzung wartet.

Maude Veilleux: Prague
Roman
Hamac, 2016
114 Seiten
14,95 $
Ein Zitat:
« Le livre avait beau parler du couple ouvert au début, ce n’était plus tout à fait le sujet. Le sujet, c’était je-ne-sais-plus-trop-quoi. Le sujet, c’était mon angoisse à ne plus aimer quelqu’un qui m’avait sauvée, qui avait tout pour me plaire, qui m’aimait, que j’aimais. Ne plus aimer quelqu’un que j’aimais et aimer un autre, un imparfait, un inconnu. Ne plus aimer l’homme que je voulais aimer pour toujours. J’hésite à l’écrire : ne plus aimer l’homme que j’avais voulu aimer pour toujours. » – Maude Veilleux: Prague, Hamac, 2016, S. 61-62