So hoch im Norden herrscht fast das ganze Jahr über Winter. Fernab vom gemeinsamen Leben mit Alice arbeitet er im Krankenhaus und verbringt die freien Stunden auf Pornoseiten und mit Eisangeln. Die restliche Zeit verbringt er in Gedanken an die Vergangenheit seiner Familie. Wie lebten die Männer vorheriger Generationen? Und wer waren die Frauen an ihrer Seite? Die Erinnerungen reichen drei Generationen zurück, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Damals folgte der junge Roméo seinen Brüdern von Montréal nach Klondike, wo sie mehrere Jahre nach Gold suchten. In Montréal hatte er sich verliebt. Seiner Émilya schrieb er Briefe bis er zurückkehrte. Er baute sich ein Haus, betrieb Landwirtschaft und gründete mit Émylia eine Familie. 1916 bekamen sie ihren jüngsten Sohn Ovide. Er war noch ein Junge, als sein Vater an einem Hirnaneurysma starb. Fortan unterstützte er seine Mutter und führte als erwachsener Mann ebenfalls ein Leben auf dem Land. Er ehelichte Yolande und sie gründeten eine mehrköpfige Familie.
Der Zweite Weltkrieg kam. Weil Ovide wegen des Brennens von Schnaps mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, empfahl man ihm sich für die Armee zu melden. Der Empfehlung folgend ließ Ovide bald seine Kinder und seine schwangere Frau zurück. Sie trug den letzten gemeinsamen Sohn im Bauch. Louis-Joseph kam 1942 zur Welt. Seinen Vater lernte er nie kennen. Als Einziger in der Familie studierte er und wurde Arzt. Er verliebte sich in die Krankenschwester Émilie. Sie heirateten und bekamen drei Söhne. Der Erzähler, der vor seiner Beziehung geflüchtet war, hatte viel von seinem Vater gelernt. Er trat in seine Fußstapfen und wurde Arzt.
Die Erzählstruktur folgt keiner klaren Vorgabe. Die Erinnerungen an Roméo, Ovide und Louis-Joseph gelangen zu unterschiedlichen Momenten an die Oberfläche und wechseln sich mit der Erinnerung an Alice und der Gegenwart in Kuujjuaq ab. So werden Fortschritte und Veränderungen von einer Generation zur nächsten deutlich. Marc Seguin lässt beeindruckende Landschaften entstehen. Sein Erzähler wirft einen überwiegend kommentarlosen Blick auf die Kultur und Probleme der Inuit. Er behandelt ihre Krankheiten und versorgt sie in der Notaufnahme. Nur wenige lernt er näher kennen, die, mit denen er Eisangeln geht. Er versucht sich selbst zu finden und erhofft sich Klarheit über seine Beziehung mit Alice.
Nord Alice ist der dritte Roman von Marc Séguin. Er ist thematisch und strukturell interessant und auch wenn im Zentrum der Geschichte ein nachdenklicher, zurückgezogener Arzt steht, geschieht doch mehr, als man erwarten würde.
Roman
Leméac, 2015
256 Seiten
26,95 $
« Certaines générations sont plus attachées que d’autres aux précédentes. Je peux remonter jusqu’à mon arrière-grand-père. Avant lui, c’est le néant. On a des mémoires de cent ans. Au-delà, ça devient flou comme des prévisions météorologiques. Les traces s’effacent. Pas celle des photos, mais celles du présent d’alors. On retient ce qui nous sert ?
Quand j’ai lu DEAD gravé dans les chairs du garçon, j’ai pensé à Alice en me demandant si elle serait une trace qui allait demeurer. Combien de fils, de filles, de petits-enfants et d’arrière-petits-enfants faut-il pour effacer une marque ? En langage médical, dans le premier rapport avant son décès, j’avais noté : ‹patient mâle, 9 ans, automutilation au thorax-sternum avec pointe de couteau ou tournevis, faible saignement coagulé et plaie en cicatrisation avancée à l’admission, administré antibiotique cutané, pansement doit être changé aux 24 h, 500 mg d’acétaminophène aux 4 h pour la fièvre›.
Je ne soigne que des corps. » – Marc Séguin: Nord Alice, Leméac, 2015, S. 21