In seinem ersten Roman legt Alexandre Delong einen „roman d’anticipation“ vor, also einen Roman, dessen Handlung 31 Jahre in der Zukunft spielt. Der Autor entwirft eine Zukunft, in der das Geld das Leben bestimmt. Jeder, der arbeitet wird von den Unternehmen seiner Branche eingekauft und somit zu seiner Wertanlage und in gewisser Weise zu seinem Eigentum. Dass das Unternehmen durch etwaiges zwischenmenschliches oder unbedachtes Handeln keinen finanziellen Schaden erhält, versichert es sich dagegen. Es gilt das Risiko zu minimieren.
Damit der Mensch in diesem System mitspielen kann, entscheiden sich schon die Eltern bevor sie ein Kind bekommen, wo sein Weg es hinführen soll. Dabei gilt es die Voraussetzung der drei Kapitaleinsätze (gesundheitlich, physisch und intellektuell) eines jeden Individuums zu schaffen. Ethan Price, Arzt der Orhtogenese, wird kurz nach Abschluss seines Medizinstudiums von der Gruppe Western Health für die Höchstsumme seit Bestehen des menschlichen Kapitalmarktes, 75 Millionen „globalisierte Dollar“, eingekauft. Kurz danach gelangt er an das General Hospital in New York. Dort verhilft er Paaren dazu, Babys nach deren Wünschen und Zukunftsplänen zu entwerfen. Man könnte meinen, er hätte es in seinem Leben geschafft. Er hat den Highscore geknackt, arbeitet am renommiertesten Krankenhaus der Welt, seine Agentin besorgt ihm eine Wohnung in der „Globalopole“ und eine Reporterin sorgt für sein gutes Ansehen in der Öffentlichkeit. Er legt sein Leben in Hände von anderen und wird somit zu einem passiven Mitmenschen, wäre da nicht sein Bruder. Julian Price ist in jeglicher Hinsicht das Gegenteil von Ethan. Er lässt sich nicht von dem System tragen, sondern wagt den Blick in die Ferne, über die Grenzen des gut bewahrten kapitalistischen Systems hinaus. Julian lädt seinen Bruder zu einem Abenteuertrip ein, den dieser als Josef Vega antritt. Die falsche Identität ermöglicht es ihm, den Trip ins Hinterland unbedacht zu machen. Gleichzeitig lernt Ethan eine ihm wenig bekannte Welt kennen und ein anderes Leben, abseits von der „Globalopole“. Doch das System steckt schon zu sehr in ihm.
2054 ist die Geschichte von einem Menschen, der nicht mehr in Gänze über sein eigenes Leben verfügt. Entscheidungen über sein Arbeitsumfeld, über seinen Lebenslauf, seine Beziehungen bestimmt der Markt. Doch geht dieses System auf? Wie lange spielen die Fremdbestimmten mit? Ethan gelangt schließlich an einen Punkt, an dem er Fragen zu stellen beginnt. Und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Ethans Aktienwert sinkt in den Keller, sein Bruder wird tot aufgefunden, seine Agentin verschwindet spurlos und seine vermuteten Feinde erweisen sich als Freunde in einer Situation, die immer bedrohlicher wird und deren Ausgang bis zur letzten Seite spannend bleibt.
Alexandre Delong: 2054
Roman
XYZ, 2013
344 Seiten
24,95 $
2054 von Alexandre Delong war 2013 in der finalen Runde für den Prix du Premier roman francophone – et francophile – Léopold Sédar Senghor.
Ein Zitat:
« L’autocar dérapa et versa dans l’abîme, y precipitant avec lui l’ensemble de ses occupants. Le drame se joua si vite qu’Ethan n’eut pas le temps de réaliser quoi que ce soit. Un instant l’autocar était là, et l’instant suivant il avait basculé.
Aussitôt, tous les véhicules s’immobilisèrent. Leurs passagers en jaillirent et, dans un même élan, allèrent s’amasser au bord du précipice. Domingo les avait déjà rejoints lorsque, revenu de sa stupeur, Ethan s’approcha à son tour. En vain il s’efforça tout d’abord de localiser l’autocar, avalé par le magma végétal qui recouvrait le fond du ravin. Sans l’attroupement général et l’agitation qui régnait autour de lui, il aurait presque été enclin à croire que rien ne s’était passé. Il se serait simplement assoupi, vaincu par le voyage, et son inconscient aurait fait le reste, chamboulé par le trop-plein d’émotions et la force des derniéres images. Et pourtant non, il n’avait pas rêvé. Sa tête ne résonnait-elle pas encore du hurlement des pneus arrachés à la terre ? Ses nerfs n’avaient-ils pas été lacérés par les cris du métal déchiré, la plainte du verre brisé ?
Ethan s’approcha encore un peu plus de la falaise, jetant à chaque centimètre gagné un nouveau regard à la paroi. Et c’est ainsi qu’il finit par l’apercevoir, gisant inanimé sur une corniche, une vingtaine de mètres en contrebas. Le petit corps enveloppé de jupons. Le corps de la petite Indienne, sans son chapeau melon. Avec une incroyable présence d’esprit, elle était parvenu à se jeter du véhicule, elle avait réussi à s’agripper à quelque arbuste qui avait freiné sa chute. Et comme Ethan observait la silhouette immobile, inerte, de la vieille femme, il ne put s’empêcher de repenser à la volonté farouche qu’elle evait affichée pour monter dans l’autocar, moins de deux heures auparavant. » – Aleandre Delong: 2054, XYZ, 2013, S. 145-147