Le tao du tagueur von Serge Ouaknine

10. April 2015 | quélesen

In zahlreichen Städten sind die unterschiedlichsten Graffitis zu finden. Manchmal ist man von ihrer Farbigkeit oder Gestaltung fasziniert, kann sie entziffern oder erachtet sie als unliebsame Störfaktoren. Doch wo kommen sie her? Wer hinterlässt die Spuren auf Mauern, Zügen und Brücken? Und welchen Stellenwert nehmen sie in einer urbanen Welt ein?

Serge Ouaknine nähert sich der Welt der Graffitis und Sprayer in seinem Roman Le tao du tagueur an. Der Protagonist, der im Laufe des Romans den Namen Panda erhält, arbeitete in einer Pariser Werbeagentur. Eines Tages schmeißt er hin und durchquert Frankreich bis er in Montpellier ankommt. Er ist unterwegs zu einem obdachlosen Herumtreiber geworden, der anfing Graffitis als Spuren seines Aufenthalts an Orten zu hinterlassen. In Montpellier lernt er die Austauschstudentin Leily Tchen kennen. Sie lädt ihn zu sich ein, gibt ihm Obdach und ganz langsam erfahren beide die Geschichte des anderen voneinander. Leily Tchen ist eine urbane Beobachterin. Sie spürt Graffitis im Straßenbild auf, hält diese fotografisch fest und widmet sich ihnen in ihrer Seminararbeit an der Universität. Sie selbst kommt aus China und ist nur für ein Jahr nach Frankreich gekommen.

Le tao du tagueur erzählt also die Geschichte eines Aussteigers und Sprayers, der in einer fremden Stadt auf ein Mädchen aus China trifft. Dieses Aufeinandertreffen ist im Romantitel bereits angekündigt. Allerdings ist es nicht von Dauer, denn Leily muss zurück nach China und Panda ist wieder sich selbst überlassen. Aber wenn er in Montpellier nun auch die Wohnung von Leily verlassen muss und erneut ohne Obdach dasteht, dann hinterlässt er zumindest einen bleibenden Eindruck.

Serge Ouaknine gibt die Geschichte von Panda und Leily Tchen in einzelnen kurzen Momenten wieder. Nur das Nötigste wird dabei übermittelt. Die einzelnen Passagen des Romans sind durchnummeriert und betitelt und gehen von einem Gefühl, einer Erinnerung, einer Farbe oder einer bestimmten Situation aus. Die Sprache ist sehr reduziert. Sätze bestehen teilweise nur aus wenigen Worten und fokussieren eine Geste, eine Szene, ein Bild. Das Thema der zumeist unerwünschten Straßenkunst, wie der Autor sie in Montpellier selbst beobachtet hat, liegt dem lesenswerten Roman zu Grunde und wird unter einem besonderen Blickwinkel dargestellt.

Serge Ouaknine: Le tao du tagueur
Roman
XYZ, 2015
176 Seiten
21,95 $

Ein Zitat:
« 1 – COMMENT JE SUIS DESCENDU AU SUD
La mer jetait un voile humide en ligne droite. Chemises usées. Chaussures trouées. Mon pantalon essoufflé de son dernier sprint. Je puais la fiente de pigeon, le chat et le bois brûlé. Dans un bout de miroir face à la mer, j’avais le visage d’un homme, d’un étranger. Je me suis fait des grimaces en regardant les mouettes. D’aucune secte, d’aucune ethnie ; je n’appartiens pas même à ceux qui taguent pour dire quelque chose. Béance morte, braguette ouverte d’un brin d’éternité. Un enfant et sa craie fragile. La cour d’école ne lui suffisait pas pour adosser son cri. Couvrir. Effacer. Revouvrir. Assiduité qui colle à la peau. Le tag n’a qu’un visage.
J’ai vomi l’agence de pub parisienne qui me faisait vivre. Mes affiches couvraient les panneaux des autoroutes. Toute la France. J’aurais dû en être fier. J’ai plutôt claqué la porte en bois exotique du patron. Dans la pub, on cherche ça, le moment de grâce. On le provoque. On le harcèle. Tu es sous pression dans la peur de rater. Tu cherches le moment de grâce en t’épuisant. Quelque chose s’absente en toi, tu te fermes, tu descends dans la sueur pour t’inspirer. Voilà que tu reviens avec des esquisses. Tu as trouvé et ça les étonne ! Tous jaloux de ce qui leur échappe, ils travaillent à effacer ton aura personnelle. Ce n’est pas toi qu’ils veulent, mais l’œuvre géniale anonyme, comme au commencement de l’univers. Et tu offres tes sensations les plus secrètes. Et ça te fragilise. Alors tu apprends à baisser la tête parce que tu veux vivre. » – Serge Ouaknine: Le tao du tagueur, XYZ, 2015, S. 15-16