Hikikomori von Josée Marcotte

30. März 2015 | quélesen

In Japan gibt es Bürger, zumeist im jüngeren Alter, die sich bewusst dazu entschließen, sich von der Gesellschaft zurückzuziehen. Sie verlassen nicht mehr ihre Wohnung oder ihr Zimmer, bestellen das Nötigste per Lieferant und verbringen ihren Alltag u.a. mit dem Spielen von Video- und Onlinespielen. Aber verbringt ein Mensch viele Stunden am Stück am PC und vergisst dabei zu trinken oder zu essen, kann das Ganze tödliche Folgen haben.

Marc wurde in seiner montréaler Wohnung tot aufgefunden. Er hatte sich nach dem Unfalltod seiner Eltern zurückgezogen und seine Zwillingsschwester Marie hatte ihm den Freiraum gelassen. Jetzt ist er nicht mehr da. Alles was ihr von ihm und seinem einsamen Tod bleibt, ist eine Liste mit Namen, mit denen er kurz vor seinem Tod gemeinsam gespielt hat. Marie beschließt die Spieler zu suchen und reist dafür nach Japan.

Maries Reise von Juni bis September nach Tokyo führt in die bunte Welt Japans, mit seiner Ess- und Spielkultur. Vor Ort sind es Mei, Kengo und Naiko, die einen Einblick in ihr alltägliches Leben gewähren. Eines Tages lernt Marie in einem Zentrum für Hikikomori Kengo kennen. Sie nähern sich an und leben für die Dauer von Maries Aufenthalt zusammen. Sie erfährt von Kengos Cousine Mei, die sich in ihrem Elternhaus zurückgezogen hat, ihr Zimmer nicht mehr verlässt und auch nicht mehr mit ihren Eltern redet. Kengo ist ihre einzige Möglichkeit, aus dieser Situation herauszukommen. Wird es ihr gelingen? Und kann Marie mit Antworten zu ihren Fragen nach dem Tod ihres Bruders nach Québec zurückkehren?

Hikikomori ist ein netter Roman über ein Thema, das hierzulande noch wenig präsent ist. Über ihre unterschiedlichen Figuren gewährt die Autorin Josée Marcotte verschiedene Einblicke in das Leben von Betroffenen. Der Rückzug aus der Gesellschaft und aus dem sozialen Umfeld kann dabei unterschiedliche Gründe haben. Und manchmal kann auch wieder das Bedürfnis entstehen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Das Phänomen wurde mit dem Begriff „Hikikomori“ benannt und erste Zentren dafür sind entstanden, die Informationen und Hilfeleistungen anbieten.

Josée Marcotte: Hikikomori
Roman
L’Instant Même, 2014
168 Seiten
22,95 $
Ein Zitat:
« Encore peu d’Occidentaux connaissent le phénomène des hikikomori au Japon, une réalité qui touche les adolescents et les jeunes adultes, plus souvent qu’autrement les garçons et les hommes dans la vingtaine. Pendant des mois, souvent des années, les hikikomori s’enferment dans une pièce. Ils refusent toute communication, s’isolent de la société qui les a vus naître et qui les a moulés. Un geste de refus. Du monde. Du moule. De la performance. Coupés de tous, ils n’ont qu’un contact minimal avec la réalité extérieure ; consoles de jeux, télévision, radio, Internet. Ils se font livrer le nécessaire, sans jamais sortir, ou très peu, tard le soir pour les emplettes, dans des konbini, des dépanneurs peu achalandés à ce moment, et ils occupent leurs journées avec les jeux vidéo, les mangas, les animes. Je ne sais trop comment ce phénomène a réussi à ignorer les frontières géographiques pour venir toucher ma famille, au Québec.
Ma vie a touché du rouge, ma vie a alors pris cette teinte. Un gros point rouge fondant sur ma toile de fond blanche. Depuis, j’éprouve de la difficulté à y voir clair, à reprendre mes esprits » – Josée Marcotte: Hikikomori, L’Instant Même, 2014, S. 21