Small talk von Carole Fréchette

16. Februar 2015 | quélesen

Mit der Sprache drücken sich die Menschen aus und treten in Kommunikation zueinander. Es gibt aber einige Störungen, die das verhindern. Sprachstörungen oder -fehler führen dazu, dass Menschen sich nicht mehr ausdrücken können und sie dadruch sogar von der Gesellschaft isoliert werden. In Carole Fréchettes ausgezeichnetem Stück Small talk lässt sie die unterschiedlichen Sprachphänomene von Schweigsamkeit, Dyslexie und Sprachkunst aufeinander treffen.

Im Zentrum des Stücks steht die junge Justine, die nicht in der Lage ist, ein einfaches Gespräch mit anderen führen zu können. Diese Unfähigkeit führt dazu, dass man sie als schüchtern wahrnimmt. Sie hat zwar wenig soziale Kontakte, aber sie ist nicht schüchtern. Sie hat nur in ihrer Kindheit eine Erfahrung mit Sprache gemacht, die ihr Verhältnis dazu beeinflusst hat.

In ihrer Familie ist sie umgeben von ihrem schweigsamen Vater, ihrer an Dyslexie leidenden Mutter Reine und ihrem Bruder, der ein Sprachakrobat ist und es damit auch zum Talkmaster seiner eigenen Fernsehshow geschafft hat. In ihrer aktuellen Situation – ohne Gespräche den Tag über und endlose Monologe in ihrer Wohnung – fühlt Justine sich nicht mehr wohl und versucht sich die Fähigkeit zum Small talk anzueignen mithilfe eines kostenpflichtigen Onlinekurses. Der Erfolg stellt sich nicht ein und Versuche mit ihren Kolleginnen scheitern. Doch dann trifft sie eines Tages Timothée, einen jungen Mann, der selbst auf der Suche nach etwas ist und dafür an die unterschiedlichsten Orte fährt und dort mit jemanden spricht, der abwesend ist.

In Small talk kommen allerlei Sprachfehler zum Ausdruck, die zwischen einem anstrengenden und lustigen Effekt hin und her schwanken. Es ist das 13. Theaterstück der Autorin, von denen bereits einige in weitere Sprachen übersetzt sind. Ich denke an Yu, im Original Je pense à Yu, wurde 2013 und 2015 am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Weitere Infos dazu gibt es hier.

Carole Fréchette: Small talk
Theater
Leméac/Actes Sud, 2014
96 Seiten
14,95 $
Für Small talk wurde Carole Fréchette 2014 in der Kategorie „Theater“ mit dem Prix littéraire du Gouverneur général ausgezeichnet.

Ein Zitat:
« JUSTINE. Tu parles de l’émission d’hier ? Je sais, il paraît que c’était drôle. Mais écoute-moi un peu. Je veux changer, maman. J’ai trouvé un site Internet qui donne une formation. Je sais pas comment t’expliquer. Ça coûte un peu cher, mais je m’en fous. Je veux changer. Je veux m’intégrer. (Elle cherche un geste, mais n’en trouve pas.) Intégrer. Comme faire entrer une chose dans une autre. Je sais pas comme euh… Intégrer les immigrants dans la société. Non, c’est trop compliqué. Intégrer. Ou incorporer. Comme incorporer les œufs dans la pâte. (Elle mime l’action de casser des œufs et de les incorporer dans la pâte à gateau.) Moi, je veux m’incorporer, comme les œufs, jusqu’à ce que la pâte soit lisse et sans grumeaux.
Reine imite le geste de Justine.
REINE. Qu’est-ce que c’est ? Pourquoi tu loupes ?
JUSTINE. Je veux être incorporée. Entrer dans le corps. Le corps du monde. Comprends-tu ? Non. Tu comprends pas. Pas un mot. Je le sais bien. » – Carole Fréchette: Small talk, Leméac/Actes Sud, 2014, S. 18