Nina von Patrice Lessard

30. April 2014 | quélesen

Antoine hat es aus unterschiedlichen Gründen von Montréal nach Lissabon verschlagen. In Montréal lässt er einen Bruder zurück, zu dem er sporadisch per Brief Kontakt hält. Bei seiner Ankunft in der portugiesischen Stadt spürt er das Gefühl von Freiheit. Er findet sich schnell in der Stadt zurecht und lernt bald sich auf portugiesisch zu verständigen. Er findet auch Arbeit und bald die Liebe, nach unzähligen Affären mit Frauen, bei denen er unterkommt. Doch dann geschieht etwas, woraufhin er Lissabon den Rücken kehrt. Sein Bruder Vincent erhält keine Briefe mehr. Die Spur seines Bruders verliert sich.

In Patrice Lessards zweitem Roman stehen die Brüder Antoine und Vincent im Mittelpunkt der Geschichte, die erst nach Lissabon und dann nach Madrid führt. Ohne neue Nachricht von seinem Bruder überredet Vincent seine Freundin Nina, mit ihm nach Lissabon zu reisen, indem er ihr einen romantischen Urlaub versprochen hat. Nina hatte bereits in Lissabon gelebt und beherrscht die Sprache. Gemeinsam suchen sie nach seinem verschwundenen Bruder. Die Suche ist sehr zeitintensiv und führt dazu, dass sich das Paar zunehmend voneinander entfernt. Auf den Spuren von Antoine gelangen die beiden, die bald bei ihrer Suche von einem Privatdetektiv unterstützt werden, an die verschiedensten Orte der Stadt fernab derer, die für die Touristen bestimmt sind. Dabei kommen sie den Ereignissen in Antoines Leben nur wenig bis gar nicht näher.

In Nina kreuzen sich verschiedene Erzählstränge, die dazu dienen, die Figuren und Leser gleichermaßen an der Nase herumzuführen. Die Erzählung ist ein Verwirrspiel, in dem die Figuren Sachen verschweigen und in dem hier und da verstreut an die Oberfläche kommt, was eigentlich geschehen ist. Die Geschichten von Antoine und Vincent scheinen sich irgendwann zu überlagern. So geschieht beiden das gleiche Ereignis, nur eben an einem anderen Ort zu einem anderen Zeitpunkt.

Nina ist ein Krimi, ein grotesker Roman, eine tragische Liebesgeschichte und -intrige, die am Ende auch noch die eine oder andere Figur nach New York führt.

Patrice Lessard: Nina
Roman
Héliotrope, 2012
397 Seiten
24,95 $
Nina zählte zu den Nominierten für den Prix littéraire des collégiens 2014.

Ein Zitat:
« … passais des heures dans ma chambre à regarder le plafond sans pouvoir dormir à cause du bruit… mes réflexions n’ont jamais mené à grand-choses d’autre qu’à… toutes ces histoires que j’étais triste de ne pouvoir raconter à personne mais que je m’étais racontées à moi-mème des centaines de fois, sans arrêt… à réorganiser… réarranger, ajouter… jusqu’à l’obsession, j’ai parfois l’impression, à force de retourner ces histoires dans ma tête, de les avoir oubliées complètement… d’avoir oublié la vérité, qu’il ne reste plus que l’invention. Ce n’est sans doute pas plus mal… la suite de hasards et de mensonges qui mèneront à la vérité, ou plutôt à une facette de la vértié, ce n’est pas tant parfois ce qui est vrai que ce qu’on a inventé et qui reste la seule version possible, vraisemblable.
On dit souvent que les contes servent à ne pas oublier le passé, je crois que c’est plutôt le conrtraire, oublier ce qui s’est passé, c’est la raison d’être du conte. » – Patrice Lessard: Nina, Héliotrope, 2012, S. 88