Le feu de mon père von Michael Delisle

27. April 2015 | quélesen

Le feu de mon père von Michael Delisle ist die Erzählung einer schwierigen Kindheit sowie eines schwierigen Verhältnisses zwischen Vater und Sohn, das sich u.a. in der brutalen Szenen spiegelt, in der der Vater eine Waffe auf die Mutter richtet und diese den Erzähler im Babyalter als Schutzschild benutzt. Der Erzähler Mike ist Teil einer Familie, in der es die Mutter und den Vater und noch einen Bruder gibt. Doch die einzelnen Mitglieder gehen bald getrennte Wege. Mikes älterer Bruder ist in einem Internat und er wird von seinen Eltern dazu gedrängt, ihm dorthin zu folgen. So wächst der Junge fernab seiner Eltern auf, die ihm kaum Zuneigung und Liebe entgegenbringen.

Der Roman ist in vier Teile unterteilt, in denen der Autor in autobiographischer Manier zurück auf sein Leben blickt und dabei auch die Lebenswege seiner Eltern nachzeichnet. Der Vater war als ältester Sohn einer dreizehnköpfigen Familie bald auf den Weg der Kriminalität gekommen. Und obwohl es des Öfteren brenzlige Situationen gab und er mit dem Gesetz konfrontiert wurde, kam er immer davon, während seine Komplizen bestraft wurden. Seine Mutter wies ihre Söhne ab und schickte sie auf ein Internat. Nach der Trennung von ihrem Mann zog sie in die Stadt und hatte kaum noch Kontakt zu ihnen. Während ihr Exmann bald darauf seinen Weg zur Religion gefunden hat, konzentriert sich die Mutter auf das Kartenlegen, um ihr Leben weiterzuverfolgen. Nach langer Zeit, in der Sohn und Vater eigene Wege gegangen waren, führt ein schwerer Unfall den Sohn an das Krankenbett des Vaters.

Michael Delisles Ansatz in Le feu de mon père ist sehr poetisch. Schließlich hat es ihm die Poesie ermöglicht, sich mit seiner schwierigen Kindheit, dem gewalttätigen, monströsen Vater und der abwesenden Mutter auseinanderzusetzen. Das Porträt des Vaters, das aus Versatzstücken der Vergangenheit aus der Perspektive von Mike entsteht, wird mit Künsten wie der Dichtung und der Photographie verknüpft. Er selbst wurde durch seine Kindheit, die er sehr zurückgezogen verbrachte, zum Schriftsteller und somit ist Le feu de mon père in gewisser Weise auch eine Hommage an die Poesie.

Michael Delisle: Le feu de mon père
Erzählung
Boréal, 2014
128 Seiten
17,95 $
Für Le feu de mon père erhielt Michael Delisle im vergangenen Jahr den Grand Prix du livre de Montréal. 2015 zählte er mit seinem Werk zu den Finalisten für den Prix littéraire des collégiens und den Prix des libraires du Québec, dessen Gewinner am 11. Mai 2015 bekannt gegeben wird.

Ein Zitat:
« Comme poète, je profite à revivre ces silences mornes. Contrairement à cette idée qui veut que l’artiste se forme à l’expression, ma condition est davantage liée au silence qui m’a été imposé. C’est de n’avoir pas eu le droit de parler qui a fait de moi un écrivain.
Depuis mon clavier, je revisite l’enfance pour retrouver ces zones prégnantes et je joue à les animer. Je suis un bébé qui répond, un bambin qui raisonne, un garçon qui parle en devin. Je fantasme ma mort prématurée, toujours spectaculaire, une fin tragique qui laisse mon entourage dans un gouffre de remords sans fond, prise un, prise deux… Je peux le faire avec des instants dont je n’ai aucun souvenir, à partir d’une photo ou d’une histoire rapportée.
Quand j’entre dans une photo, j’y reste des heures. L’exercice m’a donné plusieurs strophes. Les photographies me parlent comme des tarots.
Il n’existe qu’une seule photo où nous apparaissons tous en même temps, mes parents, mon frère et moi. Notre unique effort de vacances: trois jours aux États-Unis en 1968. » – Michael Delisle: Le feu de mon père, Boréal, 2014, S. 19