Et au pire, on se mariera von Sophie Bienvenu

5. September 2014 | quélesen

Etwas Schreckliches ist passiert.

Die Konsequenzen kann Aïcha nicht erfassen, oder vielleicht doch?

Aïcha ist ein junges Mädchen, ist gerade mal 13 Jahre alt und hat wenig soziale Kontakte. Weil ihre alleinerziehende Mutter als Krankenschwester im Schichtsystem arbeitet, verbringt ihre Tochter viel Zeit draußen. Auf der Straße hat sie auch Mel und Jo kennengelernt, beides Transsexuelle, die als Prostituierte arbeiten. Für Aïcha allerdings sind es Freundinnen, von denen sie einiges über Sex erfährt. In einer brenzligen Situation lernt sie eines Tages Baz kennen. Sie verliebt sich in ihn und sehnt sich nach einer echten Beziehung mit ihm, die er ihr nicht bieten kann. Dennoch wird der um einige Jahre ältere Baz zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie besucht ihn regelmäßig, bezirzt ihn und dann steht fest, dass sie alles für ihn tun würde.

In einem Gespräch erzählt sie, wie sich die Dinge zwischen den beiden entwickelt haben. Gleichzeitig offenbart sich das Leben des jungen Mädchens, das die Grenzen überschreitet und die Wirklichkeit mit dem Leben verwechselt, die ihr in Hollywoodfilmen vorgegaukelt wurde. Dabei ist ihr Monolog mal selbstbewusst, erwachsen und überblickend, um dann kindlich, naiv und verunsichert zu werden.

In ihrer Erzählung Et au pire, on se mariera lässt die Autorin Sophie Bienvenu die junge Aïcha zu Wort kommen und zwar nur sie. Sie erzählt in ihrem Tempo und ihrer Reihenfolge, was passiert ist. Ihr Gegenüber in dem Gespräch ist passiver Zuhörer, der in der Erzählung selbst nicht das Wort ergreift. Seine Anwesenheit wird allein von Aïcha evoziert, die sich in einem Raum befindet nur mit ihm befindet und dem sie das Vergangene zu erzählen beginnt. Im Voranschreiten der außergewöhnlichen Gesprächssituation kommt so langsam an die Oberfläche, was genau sie in diese Lage gebracht hat.

Sophie Bienvenu hat die emotional aufgeladene Erzählung von Aïcha in einer eindrucksvollen, starken Sprache zu Papier gebracht, die den Leser ergreift und in seinen Bann zieht.

Sophie Bienvenu: Et au pire, on se mariera
Erzählung
La Mèche, 2011
160 Seiten
15,95 $
Sophie Bienvenu erreichte mit Et au pire, on se mariera die finale Runde des Prix littéraire des collégiens 2013 und wurde im selben Jahr auch für den Prix des libraires du Québec nominiert.

Ein Zitat:
« Ouais, Aïcha, c’est vraiment mon prénom.
À cause de la chanson, tu sais ? Non, tu sais pas. Personne la connaît, mais c’est pas grave. Je sais que j’ai plutôt la tête à m’appeler Rosalie ou Camille, mais je m’appelle Aïcha. Aïcha Saint-Pierre.
Saint-Pierre, c’est le nom de ma mère, et Aïcha… c’est parce que mon père est algérien.
OK, pas mon père ‹ père ›, mais… le gars avec qui elle était quand elle est tombée enceinte de moi.
Il est resté un bout, quand même. Jusqu’à ce qu’il arrête d’espérer que mes cheveux deviennent bruns et mes yeux aussi. Et ma peau aussi.
Il était nice.
Pis il était beau.
J’ai une photo de lui dans mon sac. Si tu veux la voir, je pourrais te la montrer, à un moment donné. Tantôt, genre… quand ils m’auront rendu mon sac.
Ils vont me rendre mon sac, hein ?
Parce que j’ai des affaires importantes, dedans. Ils vont fouiller dedans ? » – Sophie Bienvenu: Et au pire, on se mariera, La Mèche, 2011, S. 9